Vortrag Eva Kernbauer „Kunst für alle. Theorie und Praxis des Publikumsbezugs in der bildenden Kunst“
11. Mai 2017
Klagenfurt, Alpen-Adria Universität
https://www.aau.at/en/research/research-profile/main-research-areas/visual-culture/#toggle-id-3
Bereits in der frühen Neuzeit bildet sich neben dem fürstlichen Patronagesystem ein neuer Adressat bildender Kunst heraus: das – zumeist urbane – anonyme Publikum, das über den Kunstmarkt und öffentliche Kunstpräsentationen erreicht wird. Innerhalb des Repräsentationsverständnisses des französischen Absolutismus wird diese nicht-exklusive Öffentlichkeit, die das gesamte Volk einschließt, zu einem auch kunsttheoretisch klar konturierten Konstrukt. Dies führt zur Etablierung neuer Strukturen und Präsentationsformen – Ausstellungen, Kunstvermittlung und Kunstkritik – ebenso wie zur Herausbildung spezifischer Identifikationsangebote, Bildthemen und Formensprachen, die das Kunstpublikum gleichermaßen ansprechen sollen, wie sie es erst hervorbringen. Die kunsttheoretische, philosophische und politische Auseinandersetzung mit dem neuen Konstrukt des Kunstpublikums trägt erheblich zur Konturierung des Öffentlichkeitsbezugs bildender Kunst bei. Die dabei regelmäßig auftretenden Konflikte und Spannungen zeigen ein Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis, das jedoch nicht immer ein konkretes Scheitern von Popularisierungsbemühungen bedeutet, sondern konstitutiv ist: Denn, wie anhand exemplarischer Scheidewege des Publikumsbezugs gezeigt wird, schafft sich die Kunst, zugespitzt formuliert, zuweilen eher selbst ein eigenes Publikum als sich nur auf sozial gegebene Öffentlichkeiten zu beziehen: Theorie und Praxis greifen stark ineinander. Der Vortrag verfolgt einzelne Momente des höchst ambivalenten Verhältnisses zwischen Kunst und ihrem Publikum bis hin zu Debatten um Besucherbezüge in musealen Präsentationen und künstlerischen Arbeiten der Gegenwart.